28.01.2010

Verwaltungsgericht kippt Post-Mindestlohn

Ein Verfahrensfehler des Bundesarbeitsministeriums hat den Post-Mindestlohn zu Fall gebracht: Das Bundesverwaltungsgericht urteilte, dass der Mindestlohn nicht mehr in der gesamten Branche gezahlt werden muss.

Mehrere Konkurrenten der Deutschen Post haben ihren Rechtsstreit gegen die Post-Mindestlohn-Verordnung auch in letzter Instanz gewonnen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied am Donnerstag, dass durch die im Jahr 2008 erlassene Verordnung die Kläger in deren Rechten verletze. Für diese sei die Verordnung daher nicht rechtswirksam. Beim Zustandekommen der Verordnung über den Post-Mindestlohn habe das Bundesarbeitsministerium gravierende Verfahrensfehler begangen, urteilte der 8. Senat. Das Ministerium habe die Beteiligungsrechte der Kläger verletzt, indem es ihnen nicht die Möglichkeit zu einer schriftlichen Stellungnahme gegeben hatte.

Geklagt hatten unter anderem die Pin Mail AG und TNT. Sie wehrten sich damit gegen eine Verordnung, die den Mindestlohn auf die gesamte Branche ausweitete. Der Mindestlohn für Briefträger von 9,80 Euro war zwischen dem von der Deutschen Post dominierten Arbeitgeberverband Postdienste und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ausgehandelt und von der früheren Bundesregierung für allgemeinverbindlich erklärt worden. Die privaten Post-Konkurrenten argumentierten, sie hätten mit einer anderen Gewerkschaft einen eigenen - niedrigeren - Mindestlohn vereinbart. Dieser Tarifvertrag dürfe nicht einfach weggewischt werden.

Das Bundesarbeitsministerium hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bedauert, zugleich aber die höchstrichterliche Klärung begrüßt. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorlägen, werde man "die erforderlichen Konsequenzen ziehen", heißt es in einer Erklärung des Bundesarbeitsministeriums. "Selbstverständlich" respektiere die Bundesregierung die Entscheidung des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts.

Verdi setzt Bundesregierung unter DruckVerdi forderte die Bundesregierung auf, die gerügten Formfehler zu heilen und erneut einen Postmindestlohn festzusetzen. Verdi-Vize Andrea Kocsis erklärte in Berlin, ihre Gewerkschaft halte an den bisherigen Mindestlöhnen fest. Sie gewährleisteten einen Lebensunterhalt ohne ergänzende Hartz-IV-Leistungen. Wenn die neue Bundesregierung eine Nachfolgeregelung verweigere, müsse sie sich den Vorwurf gefallen lassen, "die Beschäftigten im liberalisierten Briefmarkt der Ausbeutung auszuliefern und Steuergelder für unsinnige Sozialsubventionen hinauszuwerfen".

Dagegen erklärte der Präsident des ebenfalls von Post-Wettbewerbern getragenen Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste (AGV-NBZ), Florian Gerster, das Leipziger Urteil bringe Rechtssicherheit für die Unternehmen und bedeute "grünes Licht für die Schaffung neuer Arbeitsplätze". In den vergangenen zwei Jahren habe der Mindestlohn mehrere Tausend Arbeitsplätze vernichtet. Nach dem Tarif der AGV-NBZ gelte in Westdeutschland und Berlin ein Mindestlohn von 7,50 und in Ostdeutschland von 6,50 Euro je Stunde. Der Chef der PIN AG, Alexander Stirl, sagte dem MDR, das Urteil habe einem "ordnungspolitischen Fiasko" ein Ende gesetzt.
 

Quelle: Stern vom 28.10.2010

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