Schuss vor den Bug - PIN gewinnt amazon-Sendungen
Der Post-Chef verliert einen wichtigen Auftrag: Internet-Riese Amazon wickelt künftig einen Teil seiner Sendungen über einen Post-Konkurrenten ab.
Die Deutsche Post verliert einen wichtigen Großauftrag an den kleinen Berliner Briefzusteller Pin Mail: Deutschlands größter Versandhändler,
der US-Riese Amazon, lässt von sofort an bis zu 1000 Gramm schwere Sendungen von dem Post-Konkrrenten ausliefern - Waren wie Bücher, DVDs, CDs oder kleine Textilien. Vorerst beschränkt sich der Auftrag auf die ostdeutschen Bundesländer. Amazon und Pin Mail bestätigen die Kooperation, wollen aber keine Details nennen. Nach Insiderinformationen kann der Deal täglich mehrere Tausend Sendungen betreffen. Der Umsatz liegt Schätzungen zufolge bei mindestens ein bis zwei Millionen Euro jährlich. Verheerend ist auch der Imageschaden, den Post-Chef Frank
Appel erleidet.
Bisher hat Amazon Sendungen in Deutschland fast ausschließlich über den Branchenführer abgewickelt. Grund für den Teilabschied sind offenbar günstigere Preise bei Pin Mail. Zwar verschickt das Unternehmen die Sendungen ohne sogenanntes Track and Trace, Online-Käufer können den Weg des Pakets also nicht mehr im Internet verfolgen. Aber dafür verspricht Pin Mail, dass die Boten die Sendung schon am nächsten Tag ausliefern - für Unternehmen wie Amazon eine Grundvoraussetzung. Die Berliner kooperieren dazu mit 19 lokalen Zustellern, die bereits im Briefverbund Mail Allinace zusammengearbeitet haben.
Im Kundenforum von Amazon diskutieren Nutzer inzwischen ihre ersten erfahrungen mit dem Pin-Versand. Dabei fallen sowohl positive als auch negative Urteile. Für Pin Mail ist der Vertrag in jedem Fall ein Riesengewinn - auch fürs Image.
Um die Attraktivität des Unternehmens weiter zu erhöhen, will Pin-Chef Axel Stirl einen neuen Service einrichten. Sollte der Zusteller den Empfänger einmal nicht antreffen, kann dieser die Sendung von 18 Uhr des gleichen Tages an in der nächsten Lebensmittelfiliale der Tengelmann-Handelskette Kaiser's abholen. Er muss dazu nur die Karte vorlegen, die der Pin-Bote im Briefkasten hinterlassen hat. Damit bietet Pin Mail sogar einen schnelleren Service als die Post, die Päckchen und kleine Pakete oft erst einen Tag nach der gescheiterten Zustellung zur Abholung freigibt. Dieser sogenannte Pin-Service beschränkt sich zunächst auf die Testregion Berlin, soll dann aber mit anderen Handelspartnern auf andere ostdeutsche Großstädte ausgeweitet werden.
In den USA, dem Heimatmarkt, hat Amazon in Konkurrenz zum U.S. Postal Service schon eigene Paketstationen eröffnet.
Christian Schlesiger
Quelle: WirtschaftsWoche vom 23.04.2012
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