12.08.2012

Berlins Helden-Briefträger

Feuer-Drama am Innsbrucker Platz - manchmal gibt es Sekunden im Leben, in denen ein Mann zum Held werden kann.

Für Predrag I. (39, aus Friedrichshain) schlugen diese Sekunden ab 7.20 Uhr. Vier Männer holte er aus einem brennenden Auto, rettete ihr Leben und setzte sein eigenes aufs Spiel. Predrag gibt sich dennoch bescheiden: „Ich bin so erzogen worden, zum Glück ist niemand draufgegangen."

Die Hauptstraße in Schöneberg, sie gleicht einem Trümmerfeld. Kurz zuvor war ein roter Peugeot auf dem Weg in Richtung Innsbrucker Platz. Laut Zeugen viel zu schnell, die Fahrerin (25) betrunken. Sechs Leute saßen in dem kleinen Auto. Predrag I. ist Teamleiter und Briefzusteller bei der Pin AG. Zusammen mit seinem Chef Pierre W. (48) und vier Kollegen stand er vorm Depot, als das Drama geschah.

Predrag I.: „Ich sah den roten Wagen und ein anderes Auto. Beide rasten nebeneinander." Plötzlich ein Knall! Der Peugeot touchierte mit der rechten Seite zwei parkende Autos, schleuderte gegen einen etwa 30 Zentimeter hohen und runden Beton-Poller auf der Mittelinsel. Ein Polizeisprecher: „Durch die Wucht des Aufpralls flog der Peugeot durch die Luft, prallte auf der Gegenfahrbahn gegen fünf parkende Fahrzeuge." Am Ford-Transporter einer Tischlerei blieb er auf der Seite liegen, fing Feuer.

Jetzt begannen die großen Minuten von Predrag I.. Er lief zum Wrack, sprang auf die Motorhaube des Transporters und zog vier Männer von der Rückbank durchs offene Fahrerfenster. Alles voller Rauch, Explosionsgefahr! Predrag I., (65 Kilo, 1,64 Meter groß): „Ich weiß auch nicht, woher ich die Kraft nahm. Die Männer im Auto waren größer, schwerer."

Fahrerin und Beifahrerin hatten sich vor seiner Heldentat aus dem Wagen gerettet. Predrags Kollegen bekämpften mit Feuerlöscher die Flammen. Zwei Unfallopfer flog der Rettungshubschrauber ins UKB Marzahn – schwere Brandverletzungen. Ihre verkohlten Schuhe und Kleidung lagen später noch am Unfallort.

Predrag I.: „Nachdem ich die Männer gerettet hatte, bedankten sich alle Opfer bei mir. Sie sagten, sie hätten Kinder, Familie." Eines der Opfer dürfte aus Tansania stammen. Der Mann trägt ein entsprechendes Tattoo am Hals. Vom zweiten Raser-Auto (silbermetallic, Kleinwagen) ist bisher nichts bekannt. Es stoppte kurz nach dem Crash, fuhr dann weiter.

Predrag I. jedenfalls scheint Nerven aus Stahl zu haben. Nach der Rettungsaktion machte er sich an seine normale Arbeit, verteilte 15 Kilo Briefe rund um die Lepsiusstraße (Steglitz). Er sagt's nochmal: „Ich bin halt so erzogen worden."
 

Quelle: Berliner Kurier vom 11.08.2012

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